Artemisinin
Artemisinin ist ein bioaktiver Inhaltsstoff, der aus der Pflanze Artemisia annua (Einjähriger Beifuß) gewonnen wird. Diese Pflanze wird seit Jahrhunderten in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) verwendet. Besonders in den letzten Jahrzehnten hat Artemisinin weltweit Aufmerksamkeit erlangt – ursprünglich als hochwirksames Mittel gegen Malaria, inzwischen aber auch durch seine potenziellen Anwendungen in Bereichen wie Onkologie, Parasitologie und Immunmodulation. Der Wirkstoff wurde in den 1970er-Jahren von der chinesischen Wissenschaftlerin Tu Youyou isoliert, die dafür 2015 den Nobelpreis für Medizin erhielt. Artemisinin zeichnet sich durch seine hohe Wirksamkeit gegen Plasmodium-Parasiten aus, die Malaria auslösen – und hat sich durch seine schnelle Wirkung besonders bei akuten Verläufen bewährt.
Welche gesundheitlichen Vorteile werden Artemisinin zugeschrieben?
Neben der erfolgreichen Anwendung gegen Malaria wird Artemisinin zunehmend auch auf andere gesundheitliche Potenziale hin untersucht. Hier ist eine Auswahl verschiedener Wirkungen, die in Studien mit Artemisinin in Verbindung gebracht werden konnten:
- Antiparasitär: Artemisinin wirkt nicht nur gegen Malaria, sondern zeigte in Untersuchungen auch Aktivität gegen andere parasitäre Infektionen wie Schistosomiasis und Leishmaniose (1,2).
- Antitumoral: In vitro und in Tiermodellen zeigt Artemisinin zytotoxische Effekte gegenüber bestimmten Krebszellen. Dies wird vor allem auf die selektive Reaktion mit eisenreichen Zellen zurückgeführt, wie sie in Tumoren vorkommen (1,2).
- Entzündungshemmend: Studien deuten darauf hin, dass Artemisinin entzündliche Prozesse hemmen und so auch bei Autoimmunerkrankungen eine Rolle spielen könnte (3,2).
- Immunmodulierend: Der Wirkstoff scheint das Immunsystem auf vielfältige Weise zu beeinflussen – etwa durch die Modulation von Zytokinen (2).
- Antiviral: Erste Laborstudien zeigen mögliche antivirale Effekte gegen bestimmte Viren, darunter auch SARS-CoV-2 – wobei klinische Studien hier noch ausstehen (1,2).
Wie wirkt Artemisinin?
Die besondere Struktur von Artemisinin – ein sogenannter endoperoxidhaltiger Lactonring – scheint für seine pharmakologische Wirkung entscheidend zu sein. Wie genau der Wirkstoff funktioniert, ist allerdings bislang nicht abschließend erforscht. Man geht davon aus, dass bei Kontakt mit Eisen eine Art „freie Radikale-Reaktion“ entsteht, die zellschädigend auf pathogene Zellen wirkt. Dieser Mechanismus könnte auch erklären, warum Artemisinin Tumorzellen oder Parasiten selektiv angreifen könnte: Diese enthalten typischerweise mehr freies Eisen als gesunde Zellen (3).
Die Wirkung kann zusammengefasst werden durch:
- Radikalbildung: Zerstörung zellulärer Strukturen durch freie Radikale.
- Hemmung der Zellteilung: besonders relevant in der Krebsforschung.
- Beeinflussung immunologischer Signalwege: Entzündungshemmung und Modulation des Immunsystems.
Nebenwirkungen und Risiken
Artemisinin gilt in moderaten Dosen als gut verträglich. Dennoch sollte die Anwendung stets ärztlich begleitet werden, da sie je nach Verwendungszweck starke Effekte haben kann.
- Mögliche Nebenwirkungen: Übelkeit, Schwindel, Kopfschmerzen, bei hoher Dosierung auch neurotoxische Effekte.
- Wechselwirkungen: Artemisinin kann die Aktivität von Enzymen in der Leber beeinflussen, was die Wirkung anderer Medikamente verändert.
- Nicht für Langzeiteinnahme empfohlen, wenn nicht therapeutisch begründet.
- In der Schwangerschaft nur nach ärztlicher Rücksprache anwenden, da es Hinweise auf eine mögliche embryotoxische Wirkung gibt.
Fazit
Artemisinin ist weit mehr als ein Malaria-Wirkstoff. Seine selektive Wirkung auf zelluläre Strukturen und seine potenziell entzündungshemmenden und antitumoralen Eigenschaften machen ihn zu einem spannenden Kandidaten in der modernen Forschung. Obwohl viele Effekte noch weiter untersucht werden müssen, zeigt sich schon heute: Artemisinin ist ein herausragendes Beispiel für das therapeutische Potenzial pflanzlicher Wirkstoffe.
Quellen:
- Krishna, S., Bustamante, L., Haynes, R. K., & Staines, H. M. (2008). Artemisinins: their growing importance in medicine. Trends in pharmacological sciences, 29(10), 520–527. https://doi.org/10.1016/j.tips.2008.07.004
- Huang, Y., Yang, Y., Liu, G. et al. New clinical application prospects of artemisinin and its derivatives: a scoping review. Infect Dis Poverty 12, 115 (2023). https://doi.org/10.1186/s40249-023-01152-6
- Golenser, J., Waknine, J. H., Krugliak, M., Hunt, N. H., & Grau, G. E. (2006). Current perspectives on the mechanism of action of artemisinins. International Journal for Parasitology, 36(14), 1427–1441.[ https://doi.org/10.1016/j.ijpara.2006.07.011