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Wie Du Deine Zuwächse nicht verlierst

Wie Du Deine Zuwächse nicht verlierst

Die wahre Wissenschaft hinter Muskel- und Kraftverlusten

Wenn Du daran gewöhnt bist, regelmäßig im Fitnessstudio zu trainieren, dann könntest Du denken, dass zwei Wochen ohne Training Dich in einen Spargeltarzan verwandeln können. Das ist jedoch nicht das realistische Bild der Verbindung zwischen einer Trainingsauszeit und verlorenen Zuwächsen.

Was geschieht aus physiologischer Sicht, wenn Du mit dem Training aufhörst? Wie lange kannst Du eine solche Trainingspause ausdehnen, bevor Kraft und Muskelmasse damit beginnen werden nachzulassen? Glücklicherweise haben sich Wissenschaftler diese Dinge näher angesehen und können uns eine recht gute Idee von dem geben, was uns erwarten wird.

Die Wissenschaft der Atrophie

Da Muskelmasse für unseren Körper aus stoffwechseltechnischer sicht recht „teuer“ in ihrer Unterhaltung ist, ist unser Körper darauf programmiert, „überschüssige“ Muskelmasse loszuwerden, wenn diese nicht mehr benötigt wird. Wenn Du Dir eine Auszeit vom Training nimmst, dann wird der Stimulus, der Deine Muskelmasse und Deine Kraft aufrechterhält nicht länger vorhanden sein und Dein Körper wird damit beginnen unnötige, Energie konsumierende Masse abzubauen.

Wir wissen, dass die Hypertrophie ein aktiver Prozess ist, bei dem ein Krafttraining eine Reihe anaboler Pfadwege aktiviert und dieser Stimulus ist das, was eine Wachstumsreaktion hervorruft. Man hat früher geglaubt, dass eine Atrophie (ein Muskelabbau) genau das Gegenteil ist – also ein passiver Prozess im Körper, bei dem die Abwesenheit körperlicher Aktivität diese Pfadwege nicht aktiviert. Diese waren als „Atrophie Pfadwege“ oder Mechanismen bekannt, aber vor etwa 15 Jahren begannen Wissenschaftler diese Prozesse etwas genauer zu untersuchen und bekamen hierdurch neue Einblicke.

 

Du bist an UPP erkrankt? Natürlich nicht

Die Prozesse, die eine Atrophie initiieren sind immer dieselben – unabhängig von dem, was sie in Gang setzt. Eine Atrophie kann als Resultat einer Kalorienrestriktion, Inaktivität, Stoffwechselerkrankungen, usw. zustande kommen. Die katabolen Prozesse werden als proteolytisch (Protein abbauend) bezeichnet und Teil der Reaktion ist die Aktivierung des Signalpfadwegs, der als Ubiquitin-Proteasom Pfadweg (UPP) bekannt ist.

Bildlich gesprochen klebt die Aktivierung des UPP kleine „zerstör mich“ Schildchen auf Muskelprotein. Dieses Protein wird dann durch einen fassförmigen Tunnel transportiert, wo es in kleine Teile zerlegt und als Aminosäuren freigesetzt wird. Die beiden Hauptschurken bei diesem Bodybuilding Alptraum sind atrogin1 und muRF1.

Es wurden Studien mit Ratten durchgeführt, bei denen diese Gene eliminiert wurden und als Resultat hiervon wurde eine deutlich messbare Abwesenheit einer Atrophie beobachtet. Seit der Entdeckung dieser beiden Schurken im Jahr 2001 wurden noch eine Reihe weiterer Komplizen inklusive eines Synergisten namens erg1a.

 

Die Katabolismus Heilung, die nicht wirklich funktioniert hat

Früher gab es auf dem Markt ein Antihistamin namens Astemizol, das erg1a hemmt und somit auch als Atrophie Verzögerer agiert. Unglücklicherweise hemmte diese Formel erg1a auch im Herz und verursachte hierdurch Herzprobleme. Astemizol wurde deshalb im Jahr 1999 vom Markt genommen.

Wissenschaftler, die sich mit der Atrophie beschäftigen, arbeiten seither daran, Astemizol so weiter zu entwickeln, dass es erg1a nur in der gestreiften Skelettmuskulatur und nicht im Herz beeinflusst. Und sie versuchen Methoden zu finden, das erg1a Gen und somit auch den Ubiquitin-Proteasom Signalpfadweg zu hemmen.

 

Körperfett, Stärke der Sehnen und andere Auswirkungen einer Trainingsauszeit

Zusätzlich zu einer Atrophie können eine Reihe von weiteren Veränderungen beobachtet werden, wenn Du Dir eine Trainingsauszeit nimmst. Häufig wirst Du eine Reduzierung der Menge an Kapillaren beobachtet. Dies kann am häufigsten dann beobachtet werden, wenn es sich um eine Auszeit vom Cardiotraining handelt.

Wissenschaftler haben eine Reduzierung der Anzahl der Kapillaren bereits 2 bis 3 Wochen nach dem Beenden eines Cardiotrainings beobachtet. Sie beobachteten außerdem eine rapide Abnahme der oxidativen Enzyme, was zu einer reduzierten ATP Produktion in den Mitochondrien führte.

Eine Zunahme an Körperfett kann häufig während einer Trainingspause beobachtet werden. Und was ein Krafttraining angeht, wirst Du eine Reduzierung der Kraft und eine Abnahme der Steifheit der Sehnen sehen. Auch die Anzahl der Satellitenzellen kann etwas sinken.

In einigen Fällen sinken die Wachstumshormonspiegel im Ruhezustand, während die Kortisolspiegel steigen. Andere Studien haben herausgefunden, dass die Spiegel dieser Hormone und die Anzahl der Satellitenzellen unverändert blieben. Letzteres (die Aufrechterhaltung der Satellitenzellen) ist ein großer Teil des so genannten Muskelgedächtnisses.

Im Allgemeinen gilt, dass die Abnahme an Muskelmasse, Kraft und Leistungsfähigkeit um so stärker ausfallen wird, wenn Du Dir eine zu lange Trainingsauszeit nimmst, je fitter Du vor Beginn der Trainingspause warst. Warum? Weil es den Körper eine enorme Menge an Energie kostet, extrem fit zu sein. Der Körper wird dann jede Chance nutzen, diese Leistungsfähigkeit zu reduzieren, um Energie zu sparen.

Kraftsportler scheinen gegenüber Ausdauersportlern im Vorteil zu sein, da die Cardio Fitness schneller als Kraft und die Fähigkeit Kraft zu produzieren, abgebaut wird.

 

Ein konkretes Beispiel

In der Tabelle unten kannst Du die Veränderungen sehen, die bei einem Elite Powerlifter zustande kamen, als dieser für 7 Monate mit dem Training aufhörte.

 

Trainiert

Nach 7 Monaten Trainingspause

Gewicht

121 kg

94 kg

Körperfett

25,2%

14,8%

Oberschenkelumfang

82 cm

66 cm

VO2 Max

32,6 ml/kg/min

49,1ml/kg/min

Maximale Herzfrequenz

200

198

Muskelquerschnittsfläche

Typ I Fasern

Typ IIa Fasern

Typ IIb Fasern

 

5,625 µm2

9,618 µm2

8,539 m2

 

3,855 µm2

5,835 m2

5,07 m2

Der Powerlifter hat sein Gewicht dramatisch reduziert. Dies basierte auf einer massiven Abnahme an Körperfett, aber auch auf einer enormen Reduzierung der Muskelmasse. Seine Typ II Fasern haben deutlich an Querschnittsfläche abgenommen.

 

Wie schnell verlierst Du Kraft?

Der Grad an Kraft, den Du während einer Trainingsauszeit verlieren wirst, wird abhängig von Deinen genetischen Veranlagungen, Deinem Alter, Deiner Trainingserfahrung, den Muskeln, von denen wir sprechen, wie lange die Trainingsauszeit ausfällt und ob es sich um eine vollständige Trainingspause (kein Training) oder eine Reduzierung handelt, sein.

Du wirst mit Sicherheit umso mehr Kraft verlieren, je länger die Trainingspause ausfällt. Aber sich ein oder zwei Wochen Pause zu gönnen, scheint im großen Gesamtbild der Dinge keine große Rolle zu spielen.

Hier ist das, was Studien sonst noch zu diesem Thema zu sagen haben:

  • Eine von Hortobagyi et al. durchgeführte Studie zeigte, dass bei Kraftsportlern die Kraft auch nach einer Trainingspause von 2 Wochen Dauer aufrechterhalten blieb.
  • Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die Kraft für bis zu vier Wochen aufrechterhalten bleibt. Es gibt auch Unzersuchungen, die zeigen, dass Du, wenn Dir Du keine vollständige Trainingsauszeit nimmst und gelegentlich kurze Trainingseinheiten ausführst, sogar mit bis zu 6 Wochen Pause davon kommen kannst, ohne signifikant Kraft zu verlieren.
  • Bei Studien, die mit untrainierten Probanden durchgeführt wurden, kam es nach vier Wochen Training zu einer Kraftsteigerung von 31%. Hierauf folgten 2 Wochen ohne Training, während denen die Kraft um lediglich 5% fiel und 24% der Kraftzuwächse aufrechterhalten blieben.
  • Bei olympischen Gewichthebern konnte nach vier Wochen ohne Training eine Reduzierung der Kraft bei Kniebeugen um 10% beobachtet werden.
  • Im Rahmen einer von Lemmer et al. ausgeführten Studie stieg die Kraft bei einer Gruppe von 20 bis 30 Jahre alten Probanden nach neun Wochen des Trainings um 34% und bei einer Gruppe von 65 bis 75 Jahre alten Probanden um 28%. Nach einer Pause von 31 Wochen war die Kraft bei der jüngeren Gruppe um 14% und bei der älteren Gruppe um 8% gesunken. Unabhängig vom Alter sank die Kraft während der ersten 12 Wochen nur leicht, während die größte Abnahme der Kraft in Woche 13 bis 31 beobachtet wurde.
  • Bei jungen Menschen, die sich noch im Wachstum befinden, scheinen Trainingspausen weniger katastrophal zu sein, da diese Individuen als Resultat des allgemeinen Reifeprozesses inklusive einer Erhöhung der Testosteronspiegel „natürlich“ stärker werden. Ältere Menschen verlieren hingegen schneller Kraft als jüngere Menschen, wenn sie mit dem Training aufhören, was insbesondere dann gilt, wenn die Trainingspause lang ist. Bei einer Studie, die mit 68 Jahre alten Probanden durchgeführt wurde, resultierten sechs Wochen ohne Training in einer Abnahme der Kraft um 15%.

 

Wie schnell verlierst Du Muskelmasse?

Da es eine Korrelation zwischen Kraft und Muskelfasergröße gibt, wird es bei einer Abnahme an Kraft in den meisten Fällen auch zu einer Abnahme an Muskelmasse kommen. Man glaubt jedoch, dass der Verlust an Kraft, der während der ersten Wochen einer Trainingspause beobachtet werden kann, primär mit einem reduzierten neuronalen Antrieb in Verbindung steht – eine Schwächung des Aktivierungssystems des Nervensystems, während ein Verlust an Muskelfasergröße etwas länger dauert.

Einige Studie haben das Einsetzen einer Muskelatrophie bereits zwei Wochen nach Beenden des Trainings beobachtet. Andere Studien kamen zu dem Ergebnis, dass es nach einer so kurzen Zeitspanne noch nicht zu einer Atrophie kommt. Wie auch bei der Kraft steht der Grad der Atrophie damit in Zusammenhang, wie aktiv Du während der Trainingspause bist und wie fit Du vor der Pause warst.

Dies ist eine Wiederholung wert: mehr Masse steht mit einer stärker ausgeprägten Atrophie in Verbindung. Und je älter Du bist, desto aggressiver scheint diese Atrophie auszufallen. Dies könnte mit der Tatsache in Verbindung stehen, dass jüngere Menschen im Allgemeinen körperlich aktiver als ältere Individuen sind, da Inaktivität einer der wichtigsten Faktoren für das Einsetzen einer Atrophie ist.

Im Rahmen einer Studie vergrößerten Probanden ihre Muskelquerschnittsfläche in den Oberschenkeln nach drei Monaten Training um 10%. Nach drei Monaten ohne Training waren diese Zuwächse jedoch wieder vollständig verschwunden.

Im Rahmen einer anderen Studie erlebten Probanden eine Steigerung der Muskelquerschnittsfläche um 26% und eine Kraftsteigerung von bis zu 40% während eines 24 Wochen andauernden Trainingsprogramms. Nach 12 Wochen ohne Training hatte die Muskelquerschnittsfläche wieder ihren Ausgangswert erreicht, während die Kraft nur um 30% abgenommen hatte.

Dies deutet darauf hin, dass die neuronalen Anpassungen trotz einer recht aggressiven Atrophie nicht vollständig verschwunden sind. Unter normalen Umständen ist eine Hypertrophie im Bereich der Muskelfasern vom Typ II stärker ausgeprägt, wenn Du ein Krafttrainingsprogramm ausführst und man glaubt weiterhin, dass Muskelfasern vom Typ II bereitwilliger als Muskelfasern vom Typ I atrophieren.

Bodybuilder verfügen häufig über sehr große Muskelfasern vom Typ II und unglücklicherweise sind dies auch die Fasern, die ihre Größe am schnellsten wieder verlieren.

 

Wie Du Deine Verluste minimieren kannst

Wenn eine Trainingsauszeit unumgänglich ist, gibt es bestimmte Dinge, die Du tun kannst, um unerwünschte körperliche Veränderungen zu minimieren:

 

1. Versuche etwas Training einzuschieben, wenn dies möglich ist. Etwas Training ist besser als kein Training

Wenn es möglich ist, kannst Du viel dadurch gewinnen, während der Trainingsauszeit mit einem reduzierten Volumen oder einer reduzierte Frequenz weiter zu trainieren. Wissenschafter haben beobachtet, dass eine vollständige Aufrechterhaltung der Kraft mit gerade einmal einem Satz mit dem 1RM Gewicht bei einer Reihe von Übungen einmal pro Woche möglich ist. Studien haben außerdem gezeigt, dass Zuwächse, die durch ein Training an drei Tagen pro Woche über einen Zeitraum von 16 Wochen erzielt wurden, über einen Zeitraum von 8 Wochen mit nur einer Trainingseinheit pro Woche mehr oder weniger aufrecht erhalten werden konnten.

Eine Reduzierung des Trainings von zwei bis dreimal wöchentlich auf ein oder zweimal wöchentlich resultierte außerdem nicht in einer Reduzierung der Kraft nach 12 Wochen Training mit dieser reduzierten Rate. Analog hierzu wurde beobachtet, dass eine vollständige Einstellung des Trainings in einer signifikanten Abnahme der Kraft resultierte, während lediglich eine Trainingseinheit alle zwei Wochen in einer signifikant geringeren Abnahme der Kraft resultierte.

Wenn es eine Option ist, Dein Training auf ein oder zwei Trainingseinheiten pro Woche zu reduzieren, dann kannst Du hiermit einen Verlust Deiner Zuwächse im Vergleich zu einem vollständigen Trainingsverzicht dramatisch reduzieren.

 

2. Trainiere vor der Trainingsauszeit schwerer

Eine von Fatouros durchgeführte Studie konnte zeigen, dass eine hohe Trainingsintensität nicht nur zu größeren Kraftzuwächsen während der Trainingsphase beitrug, sondern auch zu einer besseren Krafterhaltung während der trainingsfreien Phase.

Im Rahmen dieser Studie wurden Probanden auf drei Gruppen aufgeteilt, die mit drei unterschiedlichen Intensitäten trainierten: 40% des 1RM, 60% des 1RM und 80% des 1RM. Ihre Kraft nahm beim Bankdrücken nach 6 Monaten Training um 34%, 48% und 75% zu, während ihre Beinkraft um 38%, 53% und 63% stieg.

Nach sechs Monaten des Trainings nahmen sich die Probanden eine 6 Monate lange Auszeit vom Training, nach der ihre Kraft beim Bankdrücken um 98%, 50% und 29%, und ihre Beinkraft um 70%, 44% und 27% sank. Je höher die Intensität während der Trainingsphase ausfiel, desto geringer fiel der nachfolgende Kraftverlust aus.

 

3. Verwende direkt vor Deiner Trainingspause etwas geplantes Overreaching

Wenn Du dieselben Muskeln an zwei oder drei Tagen in Folge vor einer Trainingspause trainierst, oder Dich während einer harten Trainingswoche mit 6 bis 7 Trainingtagen völlig bis an Deine Grenzen bringst, wird Deine Trainingspause als dringend benötigte Regenerationspause dienen. Aufgrund einer Superkompensation kann es sogar sein, dass Du nach der Trainingspause stärker als zuvor sein wirst.

 

Von: Brian Henneberg 

Quelle https://www.t-nation.com/training/how-not-to-lose-your-gains

 

Referenzen:

  1. Mujika Iker and Sabino Padilla. "Muscular characteristics of detraining in humans." Medicine and Science in Sports and Exercise, vol. 33, no. 8, 2001, pp. 1297–1303., doi:10.1097/00005768-200108000-00009.
  2. Ingrid M. Egner, Jo C. Bruusgaard, Einar Eftest¿l and Kristian Gundersen. A cellular memory mechanism aids overload hypertrophy in muscle long after an episodic exposure to anabolic steroids. The Journal of Physiology. Volume 591, Issue 24, pages 6221–6230, December 2013
  3. Williams Caroline. Muscles: Don't use them, don't lose them. New Scientist. 2. September 2006. Issue 2567.
  4. Fleck, Steven J.; Kraemer, William J. Designing resistance training programs. Fourth edition. Human Kinetics 2014.
  5. Sandri, Marco. Signaling in Muscle Atrophy and Hypertrophy. American Physiological Society. Physiology. 1. June 2008, Vol. 23, no. 3, 160-170
  6. Bonaldo P, Sandri M. Cellular and molecular mechanisms of muscle atrophy. Disease Models & Mechanisms. 2013 Jan;6(1):25-39.
  7. Bruusgaard JC, Johansen IB, Egner IM, Rana ZA, Gundersen K. Myonuclei acquired by overload exercise precede hypertrophy and are not lost on detraining. Proc Natl Acad Sci U S A. 2010 Aug 24;107(34):15111-6.
  8. Taaffe DR, Marcus R. Dynamic muscle strength alterations to detraining and retraining in elderly men. Clin Physiol. 1997 May;17(3):311-24.
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